Kapitel 3 – Three Ways Corner
Eine der wichtigsten australischen Verkehrsknotenpunkte ist, wenn man sich von Osten nähert, wie von Norden anreist oder vom roten Zentrum her sich bewegt, die einmal mehr understatement-haft genannte „Three Ways Corner“ inmitten einer bush-Landschaft, die vielleicht von ein paar Rindern abgegrast wird – wenn auch ‚abgegrast’ ein weniger glaubhaftes Wort in Verbindung mit der kargen Vegetation derselben ist.
Begibt sich der geneigte Reisende auf diese Unternehmung, möge es ihm hier passieren, die dürftig ausgebaute Straße – den hier genannten „Stuart Highway“ – auf eine Weise zu betrachten, die sich weg von einer leblosen Asphaltlinie hin zu einer Lebensader, einer Arterie der Mitte, entwickelt und die sich – bei näherer Betrachtung – trotz ihres Alters und weniger oft modernisierter Umstände unbedingt als wichtig, gleichermaßen lebendig, erweist.
Es bleibt der Erübrigung eigen, auf die mächtigen Stahlkolosse aufmerksam zu machen, die, ungefähr zu dreißigst während des Tages, mit kräftigem Fahrtwind an einem vorbei – oder auch gefährlicher: entgegen der eigenen Fahrtrichtung – dreschen und die, in Ausmaßen von fünfundfünfzig Metern Länge, zunehmlich: einhundertzwanzig Tonnen Gewicht, mit einem Schild an der Motorhaube klebend – „Road Train“ sagend – die überlebenswichtigen Güter von Nord nach Süd, wie auch von Süd nach Nord, durch den australischen Kontinent zügeln.
In dieser Umgebung des Northern Territory erscheint die bezeichnete Three Ways Corner, die sich auslegend nach Darwin oder nach Townsville oder zum Beispiel auch nach Adelaide verführen mag, wie die unterdurchschnittlich beachtete Überschneidung zweier Wege auf dem kleinen Lande, in T-Form; fast so, als ob es für sehr billig und fahrig gehalten würde, sie einer größeren Wertschätzung als eines schräg gesetzten Notizpunktes auf der anmutenden Landkarte in Druckschrift, und das auch noch schwätzend: ohne Serifen – schluchzend niederzulassen. Die verführende —
Äm, Vielen Dank, Heinrich, setz dich, ja … – gut gemacht. Du … wirst bestimmt mal Schreiber. –So, wer fasst den Mitschüler Heine zusammen?
Kapitel 4 – Nach Osten
Landkarte in Wörtern: Wüste, Sand, Hitzeflimmern, Gumtrees, Farmland, Scrub, Wide Open Spaces. Man rollt einfach durch. Immer gleich und es startet das Zahnweh des Outback. Langsam keinen Bock mehr auf immer gleich. Overdose Nichts und nur Straße. Roadtrains schütteln den Van bei 55 Metern und 120 Tonnen bei 110 km/h. Wirst du von der Energie dieses rollenden Viechts’ mal getroffen, bist du hauchdünner platzsparender Schrott. Kurz nach der Grenze zu Queensland verändert sich die Landschaft. Outback vorbei? Ne, nur Fläche, gerodetes Land. Weiden bis hinter den Horizont. Farmland. Mt. Isa und rundherum sieht endlich ein paar rostrotbraune Hügel. Ja – Abwechslung her mit dir! Und dann? Flat area, Farmland wieder und dann wieder trockene Wüste. Je weiter man nach Osten kommt, desto mehr nähert man sich der Great Dividing Range und damit dem Ende der Prärie. Die Range ist ein Gebirgszug von Melbourne an der Küste entlang führend bis hoch nach Port Douglas. Der schmale Streifen zwischen Bergen und Wasser – Dort ist das satte Grün und das wohlig, genussvolle Küstenleben. Überquert man die Berge nach Westen, wird es viel trockener und staubiger. Nähert man sich von Westen, freut man sich auf das Meer, was hinter den Bergen liegt. Die Great Dividing Range ist die Klimagrenze.
Das Outback, es hat sein Leben. Seinen Reiz, seine völlig andere Art. Es bietet eine Erfahrung, die sich komplett vom urbanen, ozeannahen Leben unterscheidet. Die nächste Reise wird diesen Geschmack des Kontinents näher beleuchten. Aber während die Buchstaben auf dem Weiß landen, nehme ich wörtlich ‚langsam‘ Abschied von der Erfahrung: Nach ungefähr 2800 Kilometern True Heart of Australia setzt sich Nimmerland derweil behutsam nachbarschaftlich an den Herzblut glitzernden Ort meiner Lebensschätze.
Fast wie eine Zeitreise. Im November 2010 traf ich in Brisbane ein und bereiste mit einer Freundin die australische Ostküste nach Norden. Bis nach Cairns brachte uns die Zeit und die Hälfte meines Albums „ooceeyaan“ schrieb ich an der so blauen Pazifikküste. Fraser Island, Bundaberg, Musgrave, die Whitsundays, subtropisches Townsville und Cairns. Und alle Geschichten dazwischen – Das Gefühl einer glücklichen Zeit lebt dort. Nachdem die Three Ways Corner im Rückspiegel verschwand, eigentlich schon eher – nördlich von Alice Springs, fand ein ganz neues Gefühl Einzug in die Biografie: Da, in den ersten Tagen im Mai ist das nahende Townsville an der Küste wie ein Sprung zurück und nach vorn zugleich. Zurück – Weil es all die lebensbelohnenden Erinnerungen dieser fantastischen ersten Australienreise fast in einem Ritual wieder beschwört und lebendig macht. Die Vorstellung, daran, bald wieder an der Küste von Queensland zu sein, durchflimmert die Zellen mit ‚nem Eimer Endorphinen. Etwa 1500 Kilometer sind es von der staubigen Three Ways Corner des Northern Territorys bis nach Townsville. Auch wenn jeder einzelne davon zunehmend eine Geduldsprobe ist – das Outback hört nicht auf! – ich genieße jede Minute Fahrt in der leeren Weite mit Blick auf die Küste. Denn: Jeder gerollte Kilometer ist wie ein Schritt zurück zur Erinnerung.
Nach vorn. Während dieser Fahrt zurück an den Pazifik fühlt sich die Vorstellung davon an, wie ein Rückblick aus einer noch fernen Zukunft: Opa Maik erzählt im Sessel aus seiner Geschichte und erinnert sich, wie er damals im Mai 2015 ‚zurück‘ nach Townsville kam – nachdem er vor fast fünf Jahren dort Schmetterlinge fand. Wie der Eintrag in das eigene Geschichtsbuch, blätterte man die Jahre zurück und fand die Seiten.
Beides zusammen – zurück und nach vorn – ergibt dieses heimelnde, schüchtern symphatische Gefühl von Magie, Rätsel, Spannung. Und das füttert das unbedingte Ja! zu Lebensfreude, unnachgiebiger Unternehmenslust und: Glück!