Wacht über eure Nachbarschaft
Baut Straßen
Trefft Euch zum BBQ
Errichtet eine NationSeid gut zueinander
Nennt es Australia Day
Erinnert den Invasion Day
Genießt das größte Countryfestival der südlichen Hemisphäre
Helft euch, wenn das Auto liegenbleibt
Aus dem Bush ging es nach Süden, durch Brisbane, Warwick, Stanthorpe, Glenn Innes, Armidale, zurück nach Tamworth. Dort spielte ich vor einem Jahr wie auch jetzt wieder. Dem Land drosch einiges an Regen auf das strohige Haupt, so wurde es grün und charmant. Die paar Hügel, an deren Fuße Tamworth liegt, machen die Aussicht in die „Plains“ hübsch und laden zum Schwelgen ein. Der Oxley Lookout ist Abschussrampe der Blicke. Die Festivalwoche rannte ihre acht Tage schneller ab als der Millisekundenzeiger und von Gig zu Gig, Probe zu Probe genoss ich das Spiel mit so vielen Musikern in Andrew Clermonts Supper Club. Das Festival saugt Besucher aus Australien und anderen Teilen der Welt an, macht die Stadt zu einem Salat aus Cowboyhüten und Lederstiefeln. Leute rennen Quintbässen, 3-Akkordsongs und den Geschichten aus den Hügeln nach, passen ihre Sehnsucht nach etwas Identität in viele verschiedene Korsetts. Einige davon passen gut, doch der Träger wirkt verschroben.
Das Countryfestival in Tamworth zeigt die Produkte einer dicken Musikindustrie Australiens. Jung wie alt, vom 6-jährigen Straßentalentmusiker, dem seine Kindheit von den steakschmatzenden Eltern geraubt wird, bis hinauf zum elderly Gentlemen, dem die C-F-G-Akkord- Finger an seine Bluesgitarre gewachsen sind. Viel Energie und Geld geht in den Nachwuchs für Bluegrass & Co, standing ovations für eine gute Leistung am Banjo. Dort noch etwas Hype und „Good on ya!“ Es passt nur eins nicht: Aus der Papierlandkarte ausgeschnitten und etwas weiter nordöstlich auf den Globus geklebt, passt der große Südkontinent nun gar nicht auf Nordamerika. Dorther nämlich entstammt Bluegrass und Country. Australien mit seinen Instrumentalhelden aus dem Folk & Country zelebriert diese Musik aber wie seine eigene. Irgendwie das Bild verzerrend, passt der rote Kontinent auch: Er hat Weite, Unnachgiebigkeit, Naturschönheit und vermittelt dem Reisenden gerne die Wahrheit, ganz klein zu sein. Es finden sich 1000acre Rinderfarmen, Cowboys und die Melancholie- stiftende Einsamkeit der „Plains“. Ein Kontrabass, Westerngitarre, Banjo, Mandoline und die Fiddle sitzen da fest im Sattel. Aber kann man einen erwachsenen Sound ohne weiteres nehmen und hochentwickelt in einen wilden Kontinent installieren? Ein paar Sträflinge und Pioniere reisten über eine Monate dauernde Schiffsreise von den britischen Inseln bis nach Australien. Kämpften in ihren Siedlungen ums Überleben gegen die feindliche und karge Natur, sobald sie – wie in Amerika einmal – nach Westen aufbrachen, um neues Land zu finden. Irgendwie von Britannien abstammend, vermischt mit vielen Ethnien der Welt, fehlt dann eine Musik. 227 Jahre ist es her, seit die First Fleet in der Botany Bay landete und die Sträflingskolonie Sydney – neben den misstrauischen Blicken der Aborigines – errichtete. Eine fast 2000 jährige Kultur in Europa irgendwie zurücklassend – Was macht man mit Musik?
Auf dem Woodford Folk Festival sah ich hinreißend gute Musiker spielen, Bluegrass in Perfektion. Aber jeder schaut nach Nashville, wie macht man Platten, wie nimmt man die dann auf, was funktioniert gut im Business?
Die Wildheit des australischen Kontinents, die Bruthitze in manchen Teilen, Luftfeuchtigkeit und der ressourcenhungrige Kampf, der das Leben dort ermöglicht – sie verdienen, leben etwas eigenes. Die mehrere 10000 Jahre dauernde Geschichte der Aborigines hat da etwas zu bieten. Aber der kleine Imperativ, den die Exeuropäer über Bluegrass & Country als eigene australische Musik pflocken – der passt nicht so recht. Die Ernsthaftigkeit die das Erbe pflegen soll, hat ein Problem: Man könnte alle rote Erde pflügen, finden würde man nur Staub, Spinnen, Schlangen. Keine Box mit einer kulturellen Erinnerung. Viel zu wild ist der Grund, auf dem die spaßige Klimperei gedeihen soll. In Amerika ist das anders weil gemäßigter. Und bei dem gegenwärtigen Zuzug aus den Ländern der Welt suchen die Aussies gern subtil und unausgesprochen nach etwas Eigenem.
Die Stadt irgendwo zwischen der Landschaft, ein kleiner Ort der Gemeindschaft, verlässt man ihn, so ist überall herum das Abenteuer Überleben aktiv. Die kleinen Hinweisschilder dann mit „Nationbuilding“, „Communitywatch“ oder „Developmental Programme“ versehen, versuchen sie auch irgendwie zu beschützen. Die Menschen – vor der natürlichen Aggression des Kontinents und seinen vielfältigen Zähnen. Man übersieht sie manches Mal, aber sie sind scharf an unvermuteten Stellen.